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von Dr. med. Konstantin Wagner

24.02.2020

ABBRUCH einer Schwangerschaft, im Volksmund "Abtreibung"

Die­ser Ar­ti­kel dient der wert­frei­en Auf­klä­rung und öf­fent­li­chen In­for­ma­ti­ons­wei­ter­ga­be . Er be­inhal­tet we­der Wer­bung noch eine sub­jek­ti­ve Stel­lung­nah­me.

Schon trau­rig, dass mein ers­ter Ge­dan­ke beim Auf­grei­fen die­ses The­mas fol­gen­der ist:

Erst ein­mal muss ich mich schüt­zen.

Ein sen­si­bles The­ma. Ein mo­ra­li­sches The­ma. Ein ethi­sches The­ma. Ein kon­tro­ver­ses The­ma. Je­der kann sei­ne Mei­nung und sei­ne Über­zeu­gung dies­be­züg­lich ha­ben. Aber da­für ist in die­sem Ar­ti­kel kein Platz. Hier geht es um In­for­ma­tio­nen.

Ein Tabu The­ma

Aber ge­ra­de sol­che The­men be­nö­ti­gen mehr Prä­senz. Vor al­lem mehr va­li­de und fun­dier­te Prä­senz in den öf­fent­li­chen Me­di­en.Ist es für ärzt­li­che Kol­le­gen schon ein Spieß­ru­ten­lauf, weiß die Be­trof­fe­nen oft gar nicht mehr an wen oder was sie sich wen­den soll, darf und kann.
Möch­te man sich in­for­mie­ren, wird es noch schwie­ri­ger, denn "wer­ben" dür­fen Ärz­te mit die­sem The­ma nicht. Jüngst wur­de eine Kol­le­gin ver­ur­teilt, die auf ih­rer Web­site den Schwan­ger­schafts­ab­bruch un­ter ih­ren an­ge­bo­te­nen Leis­tun­gen auf­ge­führt hat. Auch die­se In­for­ma­ti­on be­inhal­te­te we­der Wer­bung noch Wer­tung. Es war le­dig­lich eine In­for­ma­ti­on.
Selbst die te­le­fo­ni­sche Aus­kunft der Pra­xis, dass man Pa­ti­en­tin­nen über die­ses The­ma in ei­nem per­sön­li­chen Ge­spräch in­for­miert und auf­klärt ge­hört zur ju­ris­ti­schen Grau­zo­ne.
Wie kann und soll man also als Ärz­tin/ Arzt sei­nen Pa­ti­en­tin­nen hel­fen, wenn ju­ris­ti­sche Schrit­te dro­hen kön­nen?
Wie soll man sich als Pa­ti­en­tin in­for­mie­ren, wenn ei­nem der pro­fes­sio­nel­le Zu­gang zu die­ser The­ma­tik er­schwert wird?

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Kurz zur De­fi­ni­ti­on und den Syn­ony­men

Ein Schwan­ger­schafts­ab­bruch wird auch Ab­rup­tio oder In­ter­rup­tio ge­nannt.                     Im Volks­mund auch Ab­trei­bung.

Der Schwan­ger­schafts­ab­bruch ist laut De­fi­ni­ti­on die ge­ziel­te Be­en­di­gung ei­ner Schwan­ger­schaft.

Recht­lich

Der Schwan­ger­schafts­ab­bruch ist ein ju­ris­tisch kom­ple­xes The­ma, das im Straf­ge­setz­buch (§§ 218–219 b) ge­re­gelt ist und grund­sätz­lich rechts­wid­rig und mit Frei­heits­stra­fe bis zu drei Jah­ren oder mit Geld­stra­fe ge­ahn­det wer­den kann. Dies gilt nicht nur für Ärz­te, son­dern auch für die El­tern.Es gibt für Müt­ter und Ärz­te die Mög­lich­keit straf­frei zu blei­ben, wenn ei­ni­ge Vor­aus­set­zun­gen ge­ge­ben sind, die wir gleich zum Teil be­leuch­ten.

Grün­de (In­di­ka­tio­nen)

Es gibt im Prin­zip drei Grün­de oder In­di­ka­tio­nen für ei­nen Schwan­ger­schafts­ab­bruch.

  1. Abbruch ohne Indikation, Wunsch der Schwangeren (§ 218a Abs. 1 StGB „Beratungsregelung“)
  2. Medizinische Indikation (§ 218a Abs. 2 StGB)
  3. Kriminologische Indikation (§ 218a Abs. 3 StGB)

Wir be­spre­chen hier auf­grund der Kom­ple­xi­tät zu­nächst den Fall 1:"Wunsch der Schwan­ge­ren nach Be­en­di­gung der Schwan­ger­schaft"

Pro­ze­de­re

Wir ha­ben ge­lernt, dass ein Schwan­ger­schafts­ab­bruch nach § 218 StGB grund­sätz­lich rechts­wid­rig ist. Der Tat­be­stand des § 218 ist je­doch nicht ver­wirk­licht, wenn fol­gen­de Vor­aus­set­zun­gen ge­nau er­füllt wer­den:

Die Schwan­ge­re ver­langt den Schwan­ger­schafts­ab­bruch.                                                   Und nur die Schwan­ge­re. Kei­ne drit­te Per­son (so­lan­ge kei­ne Ver­fü­gung vor­liegt) darf die­se Ent­schei­dung für die Schwan­ge­re tref­fen.

Die Schwan­ge­re kann nach­wei­sen, dass sie sich min­des­tens drei Tage vor dem Ein­griff von ei­ner Schwan­ger­schafts­kon­flikt­be­ra­tung hat be­ra­ten las­sen (nach § 219 StGB)

Hier gibt es ge­naue ge­setz­li­che Vor­ga­ben zur Be­ra­tung (egal wel­che Trä­ger­schaft).        

Es wird über öf­fent­li­che und pri­va­te Hil­fen für Schwan­ge­re, Müt­ter und Kin­der in­for­miert, die die Fort­set­zung der Schwan­ger­schaft er­lau­ben.

Es wer­den In­for­ma­tio­nen über die Aus­wir­kun­gen der Ge­burt oder des Ab­bruchs auf das Le­ben der Frau, des Part­ners bzw. der Part­ner­schaft of­fen ge­legt.

Es er­folgt ein ein­ge­hen­des Ge­spräch über die Grün­de, wes­halb ein SS-Ab­bruch er­wo­gen wird. Die­se Be­ra­tung ist ob­li­gat!

Be­ra­tungs­da­tum

Zwi­schen Be­ra­tung und Schwan­ger­schafts­ab­bruch müs­sen min­des­tens 3 Tage lie­gen (d. h. Ab­bruch frü­hes­tens am 4. Tag nach der Be­ra­tung).

Der Ab­bruch wird von ei­ner Ärz­tin/ Arzt vor­ge­nom­men

Ein selbst oder durch Drit­te durch­ge­führ­ter Ab­bruch ist straf­bar!

Seit der Emp­fäng­nis sind nicht mehr als 12 Wo­chen ver­gan­gen

In­ner­halb der ers­ten 12 Wo­chen post con­cep­tio­nem, d. h. bis zur 14. SSW nach dem ers­ten Tag der letz­ten Re­gel­blu­tung. Auch hier gibt es kein Spiel­raum! Das Zeit­fens­ter muss in Deutsch­land ein­ge­hal­ten wer­den.

Es gibt also eine Viel­zahl an Vor­aus­set­zun­gen, die pe­ni­bel ge­nau ein­ge­hal­ten wer­den müs­sen um ju­ris­ti­sche Fol­gen zu ver­mei­den.

Kos­ten

Was ist mit den Kos­ten? Wer muss für den Schwan­ger­schafts­ab­bruch zah­len?

Es be­steht grund­sätz­lich kein An­spruch auf Leis­tun­gen der ge­setz­li­chen Kran­ken­kas­se, so­weit sich die­se un­mit­tel­bar auf den Schwan­ger­schafts­ab­bruch be­zie­hen.

Aus­ge­nom­men sind ärzt­li­che Be­ra­tung vor dem Ein­griff, ärzt­li­che Leis­tun­gen und Me­di­ka­men­te vor und nach dem Ein­griff, bei de­nen der Schutz der Ge­sund­heit im Vor­der­grund steht (z. B. Anti-D-Gabe) oder zum Bei­spiel Be­hand­lung von Kom­pli­ka­tio­nen

Hat eine Frau nur ein ge­rin­ges oder gar kein Ein­kom­men und auch kein kurz­fris­tig ver­wert­ba­res Ver­mö­gen, hat sie un­ter be­stimm­ten Be­din­gun­gen ei­nen An­spruch auf die Über­nah­me der Kos­ten für den Ab­bruch. Dies ist un­ab­hän­gig von ih­rem Kran­ken­ver­si­che­rungs­sta­tus. Die Ein­kom­mens­gren­ze  liegt bei mo­nat­lich 1216 Euro (Stand Juli 2019).

Die Kran­ken­kas­se stellt eine Be­schei­ni­gung über die Kos­ten­über­nah­me aus und über­nimmt die fi­nan­zi­el­le Ab­wick­lung.

Wich­tig ist, dass die Kos­ten­über­nah­me vor dem Schwan­ger­schafts­ab­bruch bei ei­ner ge­setz­li­chen Kran­ken­kas­se be­an­tragt wer­den muss, denn rück­wir­kend wer­den kei­ne Kos­ten über­nom­men. Die Be­schei­ni­gung über die Kos­ten­über­nah­me er­hält die Ein­rich­tung, bei der der Ab­bruch vor­ge­nom­men wird.

Wel­che Ärz­te ma­chen Schwan­ger­schafts­ab­brü­che?

Prin­zi­pi­ell muss kei­ne Ärz­tin oder Arzt an ei­nem Schwan­ger­schafts­ab­bruch mit­wir­ken oder die­sen durch­füh­ren. Dies ist im so ge­nann­ten Wei­ge­rungs­recht (§ 12 SchKG) ver­an­kert.

Ei­ni­ge Ärz­te füh­ren die­sen Ein­griff je­doch durch. Da es uns Ärz­ten un­ter­sagt ist die Leis­tung "Schwan­ger­schafts­ab­bruch" pu­blik zu ma­chen ist es für die hil­fe­su­chen­de Pa­ti­en­tin lo­gi­scher­wei­se schwie­rig eine An­lauf­stel­le zu fin­den. Die­sem Di­lem­ma wur­de ver­sucht po­li­tisch ent­ge­gen­zu­wir­ken.

Der Deut­sche Bun­des­tag hat ein neu­es Ge­setz zur Ver­bes­se­rung der In­for­ma­ti­on über ei­nen Schwan­ger­schafts­ab­bruch am 21.02.2019 be­schlos­sen.

Mit ei­nen of­fi­zi­el­len Lis­te von Ärz­ten und Ein­rich­tun­gen, wel­che Schwan­ger­schafts­ab­brü­che durch­füh­ren, will der Ge­setz­ge­ber Frau­en eine An­lauf­stel­le bie­ten, ohne dass sich Ärz­tin oder Arzt ju­ris­tisch an­fäl­lig ma­chen. Die Ein­tra­gung in die­se Lis­te ist frei­wil­lig.

Wie er­folgt ein Schwan­ger­schafts­ab­bruch?

Es gibt die me­di­ka­men­tö­se und ope­ra­ti­ve Va­ri­an­te:

Etwa 17,6% der Ab­brü­che in Deutsch­land wer­den me­di­ka­men­tös durch­ge­führt. In Deutsch­land ist eine me­di­ka­men­tö­se Ab­trei­bung mit dem Wirk­stoff Mi­fe­pris­ton bis zum 63. Tag nach dem ers­ten Tag der letz­ten Mens­trua­ti­on zu­läs­sig. Mi­fe­pris­ton hemmt die Wir­kung des Gelb­kör­per­hor­mons. Zu­sätz­lich er­hält die Frau 48 Stun­den nach der Ein­nah­me von Mi­fe­pris­ton s.g. Pro­sta­glan­di­ne (als Zäpf­chen oder Ta­blet­ten). Die­ses Me­di­ka­ment löst We­hen aus und führt so zur ge­ziel­ten Fehl­ge­burt.

68,0% der SS-Ab­brü­che wer­den ope­ra­tiv mit­tels Va­ku­um­aspi­ra­ti­on (Saug­kür­re­ta­ge/ Aus­scha­bung) durch­ge­führt.

Der ope­ra­ti­ve Ab­bruch der Schwan­ger­schaft er­folgt öf­ter in Voll­nar­ko­se, sel­te­ner un­ter ört­li­cher Be­täu­bung. Die meist ver­wen­de­te Me­tho­de ist die Saug­kü­ret­ta­ge: Da­bei wer­den Ge­bär­mut­ter­schleim­haut und Em­bryo über ein Röhr­chen ab­ge­saugt. Al­ter­na­tiv kann man mit­tels gy­nä­ko­lo­gi­scher In­stru­men­te die Schwan­ger­schaft und Schleim­haut aus­scha­ben.

So­wohl me­di­ka­men­tö­se als auch ope­ra­ti­ve Me­tho­den ha­ben ihre Vor- und Nach­tei­le, die ihr mit eu­ren Ärz­ten be­spre­chen soll­tet.

Fa­zit!

Nicht nur we­gen der mög­li­chen ju­ris­ti­schen Fol­gen, son­dern auch auf­grund der emo­tio­nal- ethi­schen Bri­sanz die­ses The­mas ist der se­riö­se In­for­ma­ti­ons­fluss ein­ge­schränkt. Dies führt zu wei­te­ren Di­stan­zie­rung von die­sem The­ma.                                                   Dies führt zu wei­te­rer Ver­un­si­che­rung von ärzt­li­chen Kol­le­gin­nen und Kol­le­gen.             Und vor al­lem führt dies zu un­ge­nü­gend auf­ge­klär­ten und be­treu­ten Pa­ti­en­tin­nen.        

Das The­ma Schwan­ger­schafts­ab­bruch ist The­ma.

Ich hof­fe mit die­ser Zu­sam­men­stel­lung ein we­nig für Klar­heit ge­sorgt zu ha­ben.

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Dr. med. Konstantin Wagner

Hallo, ich heiße Konstantin und bin Facharzt für Gynäkologie und Geburtsmedizin. Nach meinem Medizinstudium in München habe ich von 2015 bis 2020 in einer maximalversorgenden Klinik in Kassel gearbeitet. Dort hatte ich es mit unzähligen spannenden Fällen zu tun, betreute hunderte Geburten und sammelte einen großen medizinischen Erfahrungsschatz. Seit 2020 widme ich mich der niedergelassenen Tätigkeit in meiner eigenen gynäkologischen Praxis in Kassel.

Im Kon­takt mit mei­nen Pa­ti­en­tin­nen wur­de mir be­wusst, wie schwer es me­di­zi­ni­schen Lai­en oft fällt, ech­te Fach­in­for­ma­tio­nen von My­then und In­ter­net-Pa­nik­ma­che zu un­ter­schei­den. Ich habe es mir da­her zur Auf­ga­be ge­macht, fun­dier­tes Wis­sen zu mei­nen Fach­ge­bie­ten zur Ver­fü­gung zu stel­len – in ver­schie­dens­ten For­ma­ten so­wie auf nach­voll­zieh­ba­re und kurz­wei­li­ge Wei­se.