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von Dr. med. Konstantin Wagner

17.09.2019

Bist du „normal“?!

Wer ent­schei­det ei­gent­lich was „nor­mal“ ist, was sich „ge­hört“ und was „an­ders“ ist.

In den letz­ten Wo­chen und Mo­na­ten gab es im Kreiß­saal den ein oder an­de­ren be­son­de­ren Fall. Der Be­griff wird dem gan­zen ge­sell­schaft­lich auf­er­leg­ten Ver­ständ­nis für Nor­ma­li­tät am ehes­ten ge­recht.

Und wisst ihr, sie alle hat­ten et­was ge­mein. Sei es der Trans­gen­der schwan­ge­re Mann, das 13 jäh­ri­ge Mäd­chen mit ver­dräng­ter Schwan­ger­schaft, die Frau mit ei­gent­lich ab­ge­schlos­se­nem Kin­der­wunsch und drei Ba­bys im Bauch, die Frau mit ei­nem Aus­gangs­ge­wicht in der Schwan­ger­schaft von 170kg, oder die 50 Jäh­ri­ge, die sich dazu ent­schlos­sen hat zum ers­ten Mal schwan­ger zu wer­den. Zum ei­nen hat­ten sie alle ge­mein­sam, dass sie zu­nächst mal in eine Schub­la­de ge­steckt wur­den. Die Schub­la­den hat­ten das Eti­kett „ko­misch“, „an­ders“ oder „nicht nor­mal“. Au­ßer­dem hat­ten sie ge­mein­sam, dass sie be­reits wuss­ten, dass sie in eine sol­che Schub­la­de ge­steckt wer­den wür­de und trotz­dem mit er­ho­be­nem Haupt durch die Welt schrit­ten. Und was sie vor al­lem ge­mein hat­ten: Sie alle lieb­ten ihr Kind/ Kin­der von der ers­ten Le­bens­se­kun­de an. Sie lieb­ten sie so sehr, dass Schub­la­den, Kli­schees und Ste­reo­ty­pen ver­blass­ten. Sie lieb­ten sie so sehr, dass Au­ßen­ste­hen­de den Mensch hin­ter dem „an­ders“ se­hen konn­ten. Sie lieb­ten sie so sehr, dass eben­sol­che Au­ßen­ste­hen­den be­gan­nen nach­zu­den­ken:

Was ist ei­gent­lich nor­mal und wer ent­schei­det was „nor­mal“ ist?

Die Ant­wort habe ich für mich ge­fun­den. Ich fin­de sie tri­vi­al, aber zu­tref­fend: Je­der ent­schei­det es für sich!

Es ist der Blick­win­kel, die Per­spek­ti­ve Din­ge zu be­trach­ten und ent­spre­chend ein­zu­ord­nen. Be­grif­fe wie „nor­mal“ soll­te es viel­leicht nicht ge­ben, da sind wir uns alle ei­nig. Aber es gibt sie eben. Sie sind in den Au­to­ma­tis­men un­se­res Seins mit in­be­grif­fen. Ge­nau wie ste­reo­ty­pes Den­ken und Kli­schees. Wer hat­te noch nie Vor­ur­tei­le? Wer hat noch nie Kli­schees be­dient und et­was für „nicht nor­mal“ emp­fun­den? Ex­akt. Wir alle er­tap­pen uns ge­ra­de. Der ers­te rich­ti­ge Schritt ist dies zu ak­zep­tie­ren. Es ist na­tür­lich so zu den­ken. Es ist „nor­mal“.

Der nächs­te Schritt ist es eben sich da­bei zu er­tap­pen. Wenn uns das ge­lingt kön­nen wir even­tu­ell auch den Blick­win­kel ver­än­dern. Die Per­spek­ti­ve so ver­rü­cken, dass man be­ginnt den Men­schen in der Schub­la­de zu er­ken­nen. Ob ei­nem der Mensch nun ge­fällt oder nicht ist im Er­mes­sen des Be­trach­ters. Ge­schmack­sa­che. Aber der Mensch bleibt Mensch... hat schon der Her­bert ge­sagt. Und die­sen Men­schen soll­ten wir vor lau­ter Igno­ranz un­se­rer­seits nicht ver­ges­sen. Bli­cken wir zu­rück auf die Men­schen von oben. Sie alle müs­sen Tag für Tag zwei­deu­ti­ge Bli­cke er­wi­dern, Ge­tu­schel er­tra­gen, Ab­wer­tun­gen hin­neh­men. Sie sind die wah­ren Hel­den. Sie sind die Star­ken der Ge­schich­te. Nicht wir, die wir glot­zen, tu­scheln und re­den. Wer ist hier „nor­mal“?!



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Dr. med. Konstantin Wagner

Hallo, ich heiße Konstantin und bin Facharzt für Gynäkologie und Geburtsmedizin. Nach meinem Medizinstudium in München habe ich von 2015 bis 2020 in einer maximalversorgenden Klinik in Kassel gearbeitet. Dort hatte ich es mit unzähligen spannenden Fällen zu tun, betreute hunderte Geburten und sammelte einen großen medizinischen Erfahrungsschatz. Seit 2020 widme ich mich der niedergelassenen Tätigkeit in meiner eigenen gynäkologischen Praxis in Kassel.

Im Kon­takt mit mei­nen Pa­ti­en­tin­nen wur­de mir be­wusst, wie schwer es me­di­zi­ni­schen Lai­en oft fällt, ech­te Fach­in­for­ma­tio­nen von My­then und In­ter­net-Pa­nik­ma­che zu un­ter­schei­den. Ich habe es mir da­her zur Auf­ga­be ge­macht, fun­dier­tes Wis­sen zu mei­nen Fach­ge­bie­ten zur Ver­fü­gung zu stel­len – in ver­schie­dens­ten For­ma­ten so­wie auf nach­voll­zieh­ba­re und kurz­wei­li­ge Wei­se.

​Ich lebe mit mei­ner Frau und mei­nen zwei Töch­tern in Nord­hes­sen.