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von Dr. med. Konstantin Wagner

25.07.2020

KEUCHHUSTEN IMPFUNG in der SCHWANGERSCHAFT

Über Imp­fun­gen wäh­rend der Schwan­ger­schaft zu be­rich­ten stößt im­mer wie­der auf hoch­ge­zo­ge­ne Au­gen­brau­en, Zwei­fel und Arg­wohn. Muss das sein? Ist das nicht ge­fähr­lich?

Seit März 2020 ist eine neue Emp­feh­lung der Stän­di­gen Impf­kom­mis­si­on ver­öf­fent­licht wor­den, wel­che eine Keuch­hus­ten (Per­tus­sis) Imp­fung im drit­ten Schwan­ger­schafts­drit­tel emp­fiehlt. Wich­tig zu wis­sen ist: die­se Emp­feh­lung ist in Nach­bar­län­dern seit Jah­ren eta­bliert und funk­tio­niert si­cher und ein­wand­frei. Deutsch­land zieht nun nach.

Grund­sätz­lich bleibt eine Aus­sa­ge bei Imp­fun­gen wäh­rend der Schwan­ger­schaft be­stehen: So we­nig wie mög­lich, so viel wie nö­tig.

Ich will mit euch heu­te das The­ma Keuch­hus­ten Imp­fung in der Schwan­ger­schaft be­leuch­ten.

War­um ist die­se Imp­fung laut STI­KO nö­tig?

Welt­weit ist Per­tus­sis trotz ho­her Impf­quo­ten bei Kin­dern eine häu­fi­ge Er­kran­kung. In Deutsch­land wer­den jähr­lich rund 12.000 Per­tus­sis-Er­kran­kun­gen an das Ro­bert Koch-In­sti­tut über­mit­telt. Säug­lin­ge sind be­son­ders ge­fähr­det. Das Ri­si­ko für Krank­heits­kom­pli­ka­tio­nen ist im ers­ten Le­bens­halb­jahr am höchs­ten, wo­bei Säug­lin­ge un­ter 2 Mo­na­ten den höchs­ten An­teil von schwe­ren und in sel­te­nen Fäl­len so­gar töd­li­chen Ver­läu­fen auf­wei­sen. Eine Imp­fung ist erst ab dem Al­ter von 2 Mo­na­ten mög­lich und erst nach zwei bis drei Impf­stoff­do­sen wird ein aus­rei­chen­der Schutz auf­ge­baut. In Deutsch­land tre­ten bei Säug­lin­gen bis zum Al­ter von 3 Mo­na­ten rund 200 Er­kran­kun­gen jähr­lich auf, die meis­ten Säug­lin­ge müs­sen im Kran­ken­haus be­han­delt wer­den.

War­um wird die Imp­fung auf ein­mal emp­foh­len.

Die STI­KO hat­te ihre Emp­feh­lung für den Zeit­punkt der Imp­fung auf­grund neu­er Stu­di­en zur per­tus­sis­spe­zi­fi­schen An­ti­kör­per­kon­zen­tra­ti­on bei schwan­ge­ren Frau­en ge­än­dert. So wur­de laut Ge­mein­sa­men Bun­des­aus­schuss fest­ge­stellt, dass bei der Mehr­zahl der Frau­en die An­ti­kör­per­kon­zen­tra­ti­o­­nen sehr nied­rig wa­ren, auch wenn sie ein bis zwei Jah­re vor der Schwan­ger­schaft ge­­impft wor­den wa­ren.

Nest­schutz.

Grund­ge­dan­ke ist also vor al­lem die Neu­ge­bo­re­nen schüt­zen zu kön­nen. Vie­le Er­kran­kun­gen, die die wer­den­de Mut­ter durch­macht füh­ren zur An­ti­kör­per­bil­dung ge­gen eben die­se Er­re­ger. Die An­ti­kör­per wer­den über den Mut­ter­ku­chen und vor al­lem auch über die Mut­ter­milch auf das Kind über­tra­gen wo­durch es in den ers­ten Le­bens­mo­na­ten ge­schützt wird. Schlag­wort Nest­schutz. Prak­ti­sche Er­fin­dung der Na­tur. Lei­der ha­ben aber auch An­ti­kör­per ein Min­des­halt­bar­keits­da­tum und das ist bei Per­tus­sis schnell er­reicht. Selbst wenn die Mut­ter die­se Ee­kran­kung durch­lebt hat und An­ti­kör­per ge­bil­det hat, ver­brau­chen sich die­se schnell, so­dass der Im­mun­schutz nach­lässt. Er muss durch eine Imp­fung auf­ge­frischt wer­den.

Bis­he­ri­ge Stra­te­gie.

Cocoo­ning: Bis­her wur­de alle Per­so­nen im en­gen Um­kreis des Neu­ge­bo­re­nen mög­lichst schon vor der Ge­burt emp­foh­len auf ei­nen aus­rei­chen­den Impf­schutz ge­gen Keuch­hus­ten zu ach­ten und die­sen ge­ge­be­nen­falls durch Imp­fun­gen her­zu­stel­len. Kin­der soll­ten so in eine ge­schütz­te Um­ge­bung ge­bo­ren wer­den. Denn die meis­ten An­ste­ckun­gen mit Keuch­hus­ten er­folg­ten von na­hen Kon­takt­per­so­nen. Die­se Stra­te­gie war je­doch nur teil­wei­se er­folg­reich. 

Win- Win- Win Si­tua­ti­on.

Durch die Imp­fung der Mut­ter im letz­ten Schwan­ger­schafts­drit­tel wird nicht nur die Mut­ter ge­schützt, son­dern auch an­de­re Men­schen mit Neu­ge­bo­re­nen (Rück­bil­dungs­kur­se, Ba­by­schwim­men, Krab­bel­grup­pe etc.) und vor al­lem na­tür­lich das ei­ge­ne Kind.

Die Imp­fung für Kin­der er­folgt zwar früh (ab dem 2. Le­bens­mo­nat), der wirk­li­che Schutz ist aber erst nach der zwei­ten Impf­teil­do­sis lang­sam zu er­war­ten. Zu­rück bleibt also ein ge­fähr­de­ter Zeit­raum nach Ge­burt bis ab­ge­schlos­se­ner Imp­fung des Kin­des, wo das Neu­ge­bo­re­ne zum ei­nen be­son­ders ge­fähr­det ist für Kom­pli­ka­tio­nen und zum an­de­ren viel Kon­takt zu an­de­ren Fa­mi­li­en­mit­glie­dern und Men­schen in der Um­ge­bung hat, wel­che selbst oft kei­nen oder nur ge­rin­gen Schutz ge­gen Per­tus­sis nach­wei­sen kön­nen.

Kom­bi Impf­stoff(e).

Vie­le Fra­gen sich na­tür­lich "Ich will mich doch nur ge­gen Keuch­hus­ten imp­fen. War­um jetzt auch Te­ta­nus, Po­lio und Diph­the­rie?" Der Grund: Der Per­tus­sis-Impf­stoff ist nicht ein­zeln er­hält­lich.

Es gibt ver­schie­de­ne Kom­bi­na­ti­ons­impf­stof­fe, die für die An­wen­dung bei Schwan­ge­ren zu­ge­las­sen und si­cher sind.

Was ist drin.

Für die, die es ge­nau wis­sen wol­len habe ich hier mal die In­halts­stof­fe auf­ge­lis­tet.

Af­ter re­con­sti­tu­ti­on, 1 dose (0.5 ml) con­tains:

  • Diphtheria toxoid1 not less than 30 International Units (IU)
  • Tetanus toxoid1 not less than 40 International Units (IU)
  • Bordetella pertussis antigens Pertussis toxoid (PT)1 25 micrograms
  • Filamentous Haemagglutinin (FHA)
  • 25 micrograms Pertactin (PRN)
  • 18 micrograms Hepatitis B surface antigen (HBs)
  • 10 micrograms Poliovirus (inactivated) (IPV) type 1 (Mahoney strain)
  • 40 D-antigen unit type 2 (MEF-1 strain)
  • 48 D-antigen unit type 3 (Saukett strain)
  • 32 D-antigen unit Haemophilus influenzae type b polysaccharide
  • 10 micrograms (polyribosylribitol phosphate, PRP) conjugated to tetanus toxoid as carrier protein approximately
  • 25 micrograms adsorbed on aluminium hydroxide, hydrated (Al(OH)3)
  • 0.5 milligrams Al3+
  • produced in yeast cells (Saccharomyces cerevisiae) by recombinant DNA technology 3 adsorbed on aluminium phosphate (AlPO4)
  • 0.32 milligrams Al3+ 4 propagated in VERO cells
  • The vaccine may contain traces of formaldehyde, neomycin and polymyxin which are used during the manufacturing process

Wie si­cher ist die Imp­fung für Mut­ter und Kind.

Die Impf­stof­fe und die Wirk­wei­se ist über Jah­re gut un­ter­sucht und durch vie­le Stu­di­en be­legt. Nach­bar­län­der füh­ren die Imp­fung der Schwan­ge­ren schon sehr lan­ge durch.

Ne­ben­wir­kun­gen wie Fie­ber kom­men ge­ring­fü­gig häu­fi­ger vor als bei nicht schwan­ge­ren Frau­en. Spät­fol­gen für den Schwan­ger­schafts­ver­lauf oder das Neu­ge­bo­re­ne wur­den über die Jah­re nicht be­ob­ach­tet.

Und wie wirk­sam.

Hier­für zi­tie­re ich das Ro­bert Koch In­sti­tut:

Eine Viel­zahl von Stu­di­en ha­ben be­legt, dass Säug­lin­ge von Müt­tern, die in ih­rer Schwan­ger­schaft eine Per­tus­sis-Imp­fung er­hal­ten hat­ten, deut­lich sel­te­ner an Per­tus­sis er­kran­ken als Säug­lin­ge von Müt­tern, die kei­ne Imp­fung wäh­rend der Schwan­ger­schaft er­hal­ten hat­ten. Die Ef­fek­ti­vi­tät der müt­ter­li­chen Imp­fung, in den ers­ten 2 bis 3 Le­bens­mo­na­ten ih­res Säug­lings vor ei­ner Per­tus­sis zu schüt­zen, lag in den meis­ten Stu­di­en bei ca.90%.

Wann und wie oft.

Es wur­de in neu­en Stu­di­en fest­ge­stellt, dass bei der Mehr­zahl der Frau­en die An­ti­kör­per­kon­zen­tra­ti­o­­nen ge­gen die Er­re­ger von Keuch­hus­ten sehr nied­rig wa­ren, auch wenn sie ein bis zwei Jah­re vor der Schwan­ger­schaft ge­­impft wor­den wa­ren. Die An­ti­kör­per schei­nen sich also recht schnell zu "ver­brau­chen".

Da­her auch die Ent­schei­dung in je­der Schwan­ger­schaft un­ab­hän­gig der letz­ten Imp­fung zu imp­fen.

Fa­zit.

Die Emp­feh­lung steht sei­tens der Ge­sund­heits­gre­mi­en. Die Imp­fung ist sinn­voll und ge­gen­über eine Ri­si­ken- Nut­zen Rech­nung auch ver­tret­bar. Es bleibt selbst­ver­ständ­lich je­dem Paar über­las­sen, ob man der Emp­feh­lung folgt oder nicht. Sprecht ger­ne eure zu­stän­di­gen Frau­en­ärz­tin­nen/ Frau­en­ärz­te in der Schwan­ger­schaft auf die Imp­fung an um wei­te­re In­for­ma­tio­nen und Fra­gen zu klä­ren.

Schaut auch ger­ne auf You­Tube rein, wo ich ei­ni­ge Impf­the­men an­spre­che.

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Dr. med. Konstantin Wagner

Hallo, ich heiße Konstantin und bin Facharzt für Gynäkologie und Geburtsmedizin. Nach meinem Medizinstudium in München habe ich von 2015 bis 2020 in einer maximalversorgenden Klinik in Kassel gearbeitet. Dort hatte ich es mit unzähligen spannenden Fällen zu tun, betreute hunderte Geburten und sammelte einen großen medizinischen Erfahrungsschatz. Seit 2020 widme ich mich der niedergelassenen Tätigkeit in meiner eigenen gynäkologischen Praxis in Kassel.

Im Kon­takt mit mei­nen Pa­ti­en­tin­nen wur­de mir be­wusst, wie schwer es me­di­zi­ni­schen Lai­en oft fällt, ech­te Fach­in­for­ma­tio­nen von My­then und In­ter­net-Pa­nik­ma­che zu un­ter­schei­den. Ich habe es mir da­her zur Auf­ga­be ge­macht, fun­dier­tes Wis­sen zu mei­nen Fach­ge­bie­ten zur Ver­fü­gung zu stel­len – in ver­schie­dens­ten For­ma­ten so­wie auf nach­voll­zieh­ba­re und kurz­wei­li­ge Wei­se.

​Ich lebe mit mei­ner Frau und mei­nen zwei Töch­tern in Nord­hes­sen.